Sonntag, 12. Oktober 2025

Das Wohnheim

Der Hausmeister schließt die Tür auf. Licht an, an den Wänden und der Decke flüchten Scharen von Silberfischen in Ritzen und Lücken. Die Deckenlampe ist eine oben offene Schüssel, eine Falle für ein halbes Pfund toter Fliegen und Silberfische.

Ein gelbverrauchter dicker Vorhang verdeckt das einzige kleine Fenster. Im Raum, noch ein Schrank, ein Tisch und ein Bettgestell. Die Wände gefühlt aus Pappmaschee, man hört alles. Auf der Matratze muss horrendes passiert sein. “Die tauschen wir noch aus”, sagt der Hausmeister. “Perfekt, das Zimmer nehme ich”, sage ich mit Beklemmung aus der Not heraus.

Die Nasszelle - ein fensterloses Duschbad mit Wänden vollständig aus Plastik - teilen wir uns zu viert, die Lüftung ist kaputt und meine Mitbewohnerinnen lassen beim Scheißen und Duschen die Tür auf. Die Spülung ist gleichzeitig unterdimensioniert und lächerlich laut. 

In der Küche hat jeder ein Fach im Kühlschrank, die Spüle versteckt sich unter einem Haufen Geschirr, die Hälfte sauber, in Anführungsstrichen, die andere dreckig. Wenigstens hier gibt es zwei Fenster. Aus einem schau ich raus, auf das Uniklinikum. An dessen Wand fällt mir ein Schornstein ungefähr im zehnten Stock auf, über dem ein riesiger Rußfleck ragt. Wie soll man das denn reinigen, frage ich mich. 

Muss man da ein Gerüst bauen, oder lassen die einen Streicher mit Hängebühne runter? Was man da wohl verdient, so als Streicher? Ich hätte ja erstmal Panik, so hoch über den Boden. Aber vielleicht gewöhnt man sich daran? Der Rußfleck nimmt für ein paar Minuten meine Gedanken ein. 

Alles, um nicht an den halben Staubsaugerbeutel voll Silberfischen zu denken.