Mein Termin war am Freitag um 7:30 Uhr angesetzt, pure Schikane wie ich fand, denn gerade war die zweite WoW Expansion erschienen, und ich hatte weiß Gott Wichtigeres vor.
Um halb sieben rollte ich mich aus dem Bett, dusche, dann ab auf’s Rad, zwei Stationen mit der Bahn und komme beim Jobcenter an.
Die Sachbearbeiterin war bemüht, fragte mich nach meinen Ambitionen, wie immer bat ich um Hilfe bei der Ausbildungssuche und ich erwarte wie immer eine Liste prekärer Zeitarbeitsjobs zum Mindestlohn, aber diesmal werde ich überrascht: auf der Liste sind zwei Ansprechpartner für Ausbildungsplätze.
Ich gehe raus, draußen wird es schon brüllend heiß, dabei ist es gerade halb neun, und rufe die erste Stelle an. Direkt bekomme ich eine Einladung für den folgenden Montag und mein Instinkt ist es, jetzt nach Hause zu fahren und zu zocken, bis Montag durch, und dann beim Gespräch von mir zu überzeugen. Aber das minimale Erfolgserlebnis löst schon irgendwas in mir aus, und so fahre ich auf dem Heimweg bei der “Sofortvermittlung” vorbei.
“Sofortvermittlung”, das war ein euphemistischer Begriff für Tagelohnarbeit unter Mindestlohn, also spontane Arbeit für Hartzer die Geld brauchten. Ein System der Ausbeutung, in dem sich trotzdem jeder als Gewinner fühlt. Das Jobcenter bekommt uns in Arbeit, die Arbeitgeber bekommen billige Lohnsklaven ohne Nebenkosten, und die Arbeiter können Geld am Jobcenter vorbei dazuverdienen.
Eigentlich brauchte man da nicht mehr nach sieben Uhr aufschlagen, denn die meisten Tagelöhner wurden für Baustellen eingestellt.
Meine Glückssträhne sollte aber nicht abreißen, und so sitze ich mit einer Hand voll Männern aus dem EU-Ausland im Wartezimmer als ein gut gekleideter Herr gehobenen Alters rein kommt und fragt ob jemand Deutsch spricht. Ich hebe die Hand und er ruft mich auf. Er stellt sich als Hauptpförtner einer Behörde vor, ob ich den Rest des Tages Zeit habe.
Kurz darauf sitzen wir in seinem Smart, er erklärt mir den Job. Lass dir die Parkberechtigung zeigen, sagt er, und wenn das Gesicht auf dem Ausweis passt, machst du die Schranke hoch. Das sollte ich schaffen. “Wir zahlen acht Euro die Stunde”, sagt er, und ich muss mir ein Grinsen verkneifen. Das ist doch alles zu gut um wahr zu sein. Ich hoffe auf sechs Stunden, das wären 45 € für den Führerschein und ein Döner mit Dosenbier für den Heimweg.
Dann stehe ich an der Schranke, unter einem Baum, es ist heiß aber der Schatten hilft, und alle paar Minuten kommt mal ein Auto, Ausweiskontrolle, Knopf drücken, Schranke auf, Schranke zu. Das ist doch zu gut um wahr zu sein, denke ich wieder, dann kommt der Herr zurück. Ich bekomme schon Panik, sicher haben die einen Fehler gemacht und brauchen mich gar nicht, aber er bringt mir nur eine Flasche Sprudel, es sei ja sehr heiß heute.
Die Zeit vergeht, je später es wird desto seltener kommen Autos, und zu jeder vollen Stunde freue ich mich über die nächsten verdienten 8 Euro, bis ich sechs abgelöst werde.
Der Pförtner kommt vorbei, gibt mir 64 € bar auf die Hand, und ich verabschiede mich.
Jackpot, denke ich mir später, während ich mit Döner und Kioskbier am PC sitze, 60 Euro dem Führerschein näher, mit den Kollegen im Teamspeak und Dungeons in WoW grindend.
Das Leben ist gut.