Freitag, 15. November 2024

Warum ich kaum noch schreibe

Hi liebe Leser,

teilweise erreichen mich E-Mails wieso es so still geworden ist um den Blog und ich möchte das kurz erklären. Die Mails werden gelesen, teilweise aber mit Wochen Verzögerung und ohne Antwort.

Grund eins ist einfach eine Frage der Zeit. Ich sitze aktuell 40 Stunden pro Woche für einen Job vor dem PC, 30 weitere für ein Online-Studium, da versuche ich meine Freizeit möglichst abseits vom PC zu nutzen. Ich mache wieder netten Progress auf der Gitarre, hab einen neuen Lieblingssport entdeckt und dieses Jahr 15 kg abgenommen (nur noch 2 bis zum Ziel <3) und generell ist mein Leben ferab des Internets deutlich nicer geworden.

Das bringt mich zu Grund zwei: Ich nehme reddit, mein einziges Vehikel um den Blog zu bewerben, als einen immer negativeren Teil meines Lebens wahr und versuche, den Konsum von Medien so gut es geht zu reduzieren. Eigentlich hatte ich die - naive aber offensichtlich inkorrekte - Hoffnung, dass Trump dieses Jahr von der Bildfläche verschwinden und der Politikdiskurs sich etwas normalisieren würde. Ups, voll daneben. Stattdessen reichen die toxischen Tentakel dieses seltsamen Politik-als-Mannschaftssport Phänomens in jeden online Space. Und spätestens seit dem 08.10.2023 ist klar, dass auch die linke Hälfte des politischen Spektrums völlig den Verstand verloren hat. Das brauche ich alles nicht in meinem Leben, die negativen Konsequenzen werden mich IRL noch bald genug erreichen, da muss ich nicht im Vorfeld schon meine Gedanken darauf verschwenden.

Das soll noch kein Abschied sein. Die Achim-Geschichte wird ein Vierteiler, eine Geschichte auf die ich jetzt schon ein wenig stolz bin, und wenn mich die Muse küsst oder ich mal wieder etwas tiefer in die Weinflasche schaue kommt auch Stütze noch mal zum Vorschein.

Aber aktuell ist das Leben ohne Internet zu nice, um viel Zeit hier zu verbringen.

Danke fürs Lesen und haut rein,

StSt

Samstag, 7. September 2024

Achim

Es ist Spätsommer, viel zu heiß, und die Kleinstadt schläft mit offenen Fenstern. Eine junge Mutter, unendlich erschöpft, bringt ihren Buben zu bette. Der Hund hat sich entleert, der Bauch des Sohnes ist voll, und für einen perfekten Moment schlafen beide ein, und auch der dankbaren Mutter fallen kurz die Augen zu.

Und dann, RÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖRRR-RÖÖÖRR, ein Motorrad weckt den Jungen, weckt den Hund, weckt die halbe Kleinstadt. Der Hund bellt, die Nachbarshunde stimmen ein, der Junge weint, der Mutter geht der Puls hoch.

Achim sitzt auf seiner Harley, die tägliche Tour über die Landstraßen neigt sich dem Ende zu. An der letzten Ampel nickt er cool einem jungen Mädel zu, die neben ihrem Freund im Auto sitzt. Die verzerrt ihre Oberlippe, in einer Mischung aus Ekel und Mitleid und guckt sofort weg. “Ich habs immer noch drauf”, denkt sich Achim, der im Halbdunkeln ihren angewiderten Blick als schüchternes Lächeln interpretiert. Ein echt geiler Typ eben.

Verschwitzt und zum Bersten gefüllt fängt seine wulstige Wampe unter der schwarzen Ledergarnitur zu jucken an, dann fährt er in seine Garage, bewundert noch für einen Moment sein Motorrad, eine echte Harley, von seinem Kumpel Günni, dem Günnikologen wie er ihn nennt, frisiert, um extra laut zu sein. Ein echtes Männergefährt eben, denkt sich Achim.

Während er im WC im Erdgeschoss laut stöhnend und schwitzend eine schmerzhafte Arschgeburt zur Welt bringt, liegt seine Frau Erika oben bereits im Bett, löscht das Licht, und hofft, dass er sie einfach schlafen lässt, und ihr nicht wieder die Ohren abkaut, vom Günnikologen, und von den immergleichen, langweiligen Fahrten des Tages. Von der Einkehr an einer Kneipe an der B9, wo er mit anderen Fettsäcken ein Bier runterschlürft und sich an der jungen, blonden Kellnerin aufgeilt, und dass er, um Gottes Willen, bloß keinen Sex will.

Aber ihre Sorge ist unbegründet, denn im Erdgeschoss geht der Fernseher an und ein Bier ploppt auf. Langsam driftet sie in den Schlaf, unbelästigt von Achim und seinem ohnehin kaum noch funktionierendem Glied. Und Achim schläft unten auf dem Sofa ein. Ein guter Tag, denkt er sich.

Ein paar Wochen später.

Die junge Mutter holt die Post rein, zahlreiche Prospekte, trotz dem höflichen “Bitte-keine-Reklame oder-Zeitungen-einwerfen”-Vermerk am Briefkasten, und würde sie das örtliche Wochenblatt aufschlagen, fände sie dort einen Nachruf, auf Achim, 53, geliebter Vater und Ehemann, dessen Leben auf tragische Art von der Kollision mit einer Eiche beendet wurde.

Und während Achim, 53, von seiner Frau, der das Trauern schwer fällt, und seinem Kumpel, dem Günni, den er immer den Günnikologen nannte, zu Grabe getragen wird, bricht langsam der Herbst über der dankbaren Kleinstadt ein.

Donnerstag, 1. August 2024

Epilog

Maja bellt mich an, damit ich endlich aufstehe.

Zumindest im Traum, denn als ich die Augen öffne, finde ich mich alleine in meinem Auto. Es ist schon viel zu hell, mein Schädel dröhnt und mein Mund ist trocken.

Draußen schreien sich die Möwen an und der Ostseestrand badet menschenleer und scheißbeschaulich im Sonnenaufgang.

Ich greife nach der Rotweinflasche in der Mittelkonsole, nehme einen beherzten Schluck und denke an letzte Nacht. Meine Begleitung und ich gingen am Strand spazieren, dann sind wir in einen Strandkorb eingebrochen und sie hat mir einen geblasen. Als ihr dann zu kalt wurde, haben wir uns in mein Auto gesetzt, ein wenig weitergetrunken und Musik gehört. Ich war dann schon zu blau, um die paar Minuten zum Ferienhaus zurück zu fahren, und sie hat geraucht und die Weinflasche als Aschenbecher benutzt.

Ich spucke den Rotwein aus dem Fenster und frage mich, wann sie wohl verschwunden und wie sie nach Hause gekommen ist.

Wie auch immer: Jetzt, am Morgen darauf, bin ich happy, allein im Auto zu sein. Ich krame meine Sonnenbrille aus dem Handschuhfach, steige aus, geh die paar Schritte zum Strand und dann ins Wasser, schau mich kurz um, niemand da, dann pisse ich in die Ostsee.

Das Wasser um die Knöchel, der Sand an den Füßen, eine kühle Brise um die Nase und die Erleichterung der Blase, so vergesse ich die Leere der letzten Wochen für einen Augenblick. Dann wandern die Gedanken wieder - wie gut es Maja hier gefallen würde - und ich gehe zurück zum Auto.

Ein Blick noch aufs Wasser, dann fahre ich zurück zum Ferienhaus, das ich für den nächsten Monat gebucht habe. Dort lege ich mich dann noch ein Stündchen hin, oder auch sieben, ich hab ja die Zeit. Vier Wochen noch, um Job und Wohnung in meiner neuen Wahlheimat zu finden.

Im Kühlschrank finde ich noch einen Rest Wein, und während draußen das beschauliche Küstenstädtchen langsam aufwacht, spüle ich zwei Schlaftabletten den Rachen runter und hoffe auf traumlosen Schlaf.

Montag, 26. Februar 2024

Bildungsfern: zweite Edition des Taschenbuches ist nun auf Amazon verfügbar

nur ein kurzes Update, die zweite und vorerst letzte Version meines Buches, mit einem Haufen Korrekturen und ein paar mehr Seiten, ist nun erhältlich.

Wer bisher unentschlossen war, oder von der "Unfertigkeit" der ersten Version abgeschreckt war, kann jetzt die korrigierte Version auf Amazon kaufen.

Haut rein und man liest sich,

St.

Dienstag, 6. Februar 2024

Johanna

Nicht der Armen Schlechtigkeit hast du mir gezeigt, sagt die heilige Johanna der Schlachthöfe zum Mauler, sondern der Armen Armut. Oder so ähnlich, hab das Buch nicht mehr. Daran muss ich manchmal denken, wenn ich meine jugendlichen Diebeszüge rechtfertigen will.

Unsere Abschlussfahrt stand an, Hype auf dem Schulhof, die 9c fährt nach Holland, und da auf ein Boot, und meine Freunde und ich sich uns einig, dass wir uns völlig die Birne wegballern werden, und Ingo will gehört haben, dass die Holländerinnen mit jedem schlafen, dafür seien die berüchtigt, und er bittet uns schonmal, die Schlafkabine zu räumen, wenn er ein paar Holländerinnen mit aus Boot bringt.

Und wäre da nicht sofort der Gedanke ans Geld, dann wäre ich sicher genau wie Ingo notgeilen Tagträume verfallen.

Über 100 Euro soll der Spaß kosten, zu überweisen auf das Konto der Klassenkasse, und ich bin sicher, meine Eltern geben mir keinen Cent dazu. Erste Anlaufstelle also, meine Schwester, die zwar auch kein Taschengeld bekam, aber sich trotzdem immer ein paar Euro ergaunern konnte, aber auch die war gerade fast blank, zwanzig Euro, sagt sie, könne sie beisteuern. Ich bin dankbar, und plötzlich kommt mir der Betrag nicht mehr ganz so überwältigend vor.

Also mal wieder Rohlinge klauen.

Die ultra-baggy Cargojeans von Fishbone, ein Überbleibsel der 90er in meiner beschränkten Garderobe, erweist sich mal wieder als nützlich. Rein in den Laden, zehn Minuten sehnsüchtig vor den PS2-Spielen gestanden, kurz eine Demo getestet, im Vorbeigehen zwei Rohlingspindeln gezockt, eine in jeder Beintasche, leicht verdienter Zehner, und die Kassiererinnen sehen nur einen armen Buben der zu arm für den Mediamarkt ist. Wieder hab ich das Risiko und wieder macht Ingo die Kohle mit den gebrannten CDs - Mann, hätte ich nur einen eigenen Brenner - aber so finanziere ich nach und nach die Klassenfahrt und freue mich schon auf die Holländerinnen und darauf, mal auf einem Schiff zu sein, und auf einen letzten Ausflug mit meinen Schulfreunden, mit den Kernasis der 9c.

“Stefan, bleibst du noch kurz nach der Stunde hier?”, fragt meine Lehrerin, und jeder denkt ich bekomme Ärger für diese oder jene Untat, für diese oder jene Unterbrechung, oder für die seit Wochen nicht gemachten Hausaufgaben.

Aber sie erzählt mir dann, sie und ein paar Eltern haben entschieden, dass die Kosten für mich - und ein paar andere Kinder mit armen Eltern, das betont sie extra, damit ich mich nicht so schäbig fühle - aus der Klassenkasse bezahlt werden, damit auch alle mitkommen können. Aber bitte benehmt euch, sagt sie noch mahnend, als bereue sie die Entscheidung schon, ihr seid ja fast erwachsen.

Euphorie. Über 100 € in der Tasche. Ich darf mit nach Holland, und ich habe über 100 € in der Tasche.

Dann, das schlechte Gewissen. Die Welt ist großzügig, zu mir, zum Rohlingdieb, zum Hehler.
Soll ich das Geld vielleicht spenden? Zweimal musste ich schon zur Strafe fürs Schulschwänzen bei der Tafel arbeiten, die könnten das Geld sicher brauchen. Ich denke an die Kunden der Tafel, denen es meist schlechter geht als mir, an die Penner und Rentner, an die Mutter mit der behinderten Tochter, die immer so furchtbar dankbar ist, wenn wir ihr den Korb mit Obst und Brot füllen. Es ist klar, was ich tun muss.

Noch am selben Nachmittag gehe ich zu Media Markt und kaufe mir einen Brenner. 

Sorry, Johanna, manche Menschen sind halt arm UND schlecht.