Dienstag, 4. April 2023

Flirtversuch bei Edeka

Ein paar Wochen lang habe ich Ausreden gesucht.

Ist das nicht unhöflich? Oder: Vielleicht problematisch, nicht dass sie sich auf der Arbeit belästigt fühlt. Oder: Heute ist eh zu voll, viel zu stressig.

Aber irgendwie ging mir die Idee nicht aus dem Kopf, und so nahm ich mir vor, es einfach mal zu versuchen. Tinder hatte mich faul gemacht. Swipen, chatten, verabreden: alles ohne Risiko, ohne dass man viel investieren muss, ohne dass man Absagen persönlich erlebt. Daten für Schüchterne.

Einmal saß sie an der Kasse als ich völlig verranzt aussah und Wein und Gummis gekauft habe. Mein Drei-Tage-Bart und erste weiße Haare auf dem Kopf lassen keinen Zweifel daran, dass ich die Dreißig hinter mir gelassen habe, und so konnte ich ihre Aufforderung, meinen Ausweis zu sehen, nur als gut gemeinten Witz auffassen. Haha, sagte ich nur, und sie so: schönen Abend wünsche ich dir! Genug, um mich zwei Tage immer wieder grinsen zu lassen.

Und dann, vielleicht drei Wochen später, der perfekte Zeitpunkt. Wenig los im Laden, und sie räumt gerade ein Regal ein. "Verzeihung", sag ich, und sie dreht sich um. Das war nicht vorbereitet, und vielleicht etwas ungeschickt, aber ich frag sie, was sie davon hält, wenn ihr Männer auf der Arbeit ihre Nummer geben wollen. "Kommt auf den Mann an." sagt sie, aber sie grinst. Und dann: "Ich hab mein Handy nicht hier, aber ich kann dir meine geben."

Erfolg. Ohne Bildschirm dazwischen, ohne zu swipen. Ohne die immergleichen, nervigen, seelenlosen ersten Chats. Ohne Dates, die eher Bewerbungsgesprächen als authentischen Begegnungen gleichen.

Später schreib ich ihr, sie kommt ein paar mal nach der Arbeit vorbei, wir gehen spazieren oder hängen bei mir rum. Schlafen ein paar mal miteinander und machen einen kleinen Ausflug an die Nordsee. Irgendwie funkt es nicht so richtig, wir haben nicht viel worüber wir reden können, die lange Autofahrt verbringen wir größtenteils schweigend. Eigentlich ist sie mir deutlich zu jung und süchtig nach Insta und Tiktok. Ich trinke ihr zu viel und bin ihr zu wehmütig. Sie will Kinder, ich will nur einen Hund.

Unsere Wege trennen sich, aber ich bin froh, dass ich den Mut aufgebracht habe. Vielleicht ein Lichtblick für jene, die lieber analog unterwegs sind.

Offline geht wohl auch noch.

3 Kommentare:

  1. sehr schön geschrieben :)

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  2. Das hat für mich wirklich was von Bukowksi, UND ICH LIEBE ES. Es ist wirklich eine Schande dass man dich auf reddit gelöscht hat und völlig unverständlich, aber bitte bitte hör nicht auf, ich geh fast jeden Tag auf diesen Blog und gucke ob du was neues veröffentlicht hast

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  3. Ich liebe diesen Blog. Sehr relatable. Vieles was du schreibst, könnte halt auch direkt so über mich sein. Krass. Ich weiß nicht wie du das machst.

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